Bestechungszahlerindex 2011: Unternehmen aus den aufstrebenden Märkten China und Russland bestechen am häufigsten
Bei Geschäftstätigkeiten von Unternehmen im Ausland kommt es regelmässig zu Bestechung von Amtsträgern. Das zeigt der heute veröffentlichte Bestechungszahlerindex (Bribe Payers Index, BPI) von Transparency International.
Der BPI listet 28 führende Exportnationen nach der Bereitschaft ihrer Unternehmen auf, Bestechungszahlungen im Ausland zu leisten. Hierzu wurden über 3‘000 Führungskräfte von Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern befragt. Firmen aus Russland und China, die 2010 im Ausland 120 Milliarden US-Dollar investierten, liegen am unteren Ende der Rangliste. Die Niederlanden und die Schweiz finden sich an der Spitze des BPI mit einem Ergebnis von 8.8 auf einer Zehnerskala – ihre Unternehmen neigen am wenigsten dazu, im Ausland zu bestechen.
Es lässt sich keine wesentliche Verbesserung des Durchschnittswerts der 22 Länder, die schon im BPI 2008 einbezogen wurden, feststellen: Dieser war vor drei Jahren 7.8 und liegt nun bei 7.9.
Keines der 28 erfassten Länder hat die Höchstbewertung 10 erzielt. Die Differenz von 8.8 zu 10 in der Skala zeigt, dass auch Schweizer Unternehmen bereit sind im Ausland Bestechungsgelder zu zahlen, obwohl die Bestechung ausländischer Amtsträger seit 2000 gesetzlich verboten ist. Ist Korruption nur ein Problem der Grossunternehmen? „Unsere eigenen Untersuchungen zeigen, dass Bestechung nicht nur ein Thema ist, das die grossen Unternehmen betrifft, sondern auch bei den Auslandsaktivitäten von kleinen und mittleren Schweizer Unternehmen auftritt. Daher gilt es die Anti-Korruptions-Massnahmen spezifisch auf die Bedürfnisse von KMU zuzuschneiden“, differenziert Christian Hauser, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur und Leiter mehrerer Forschungsprojekte zum Thema Korruptionsprävention im Auslandsgeschäft, die Situation hierzulande.
Bestechung in unterschiedlichen Wirtschaftssektoren
Der BPI 2011 untersucht auch die relative Wahrscheinlichkeit aktiver Bestechung in 19 verschiedenen Wirtschaftssektoren: Unternehmen aus dem Bausektor schnitten in der Umfrage am schlechtesten ab. Nicht eingehaltene Normen und mangelhaft ausgeführte Aufträge können gravierende Folgen für die öffentliche Sicherheit nach sich ziehen. Auch der Öl- und Gassektor ist besonders hohen Korruptionsrisiken ausgesetzt.
Schäden durch Bestechung
Laut Umfrage zum BPI bestechen Unternehmen Amtsträger im Ausland, um bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt zu werden, Gesetze zu umgehen, Prozesse zu beschleunigen oder die Politik direkt zu beeinflussen.
Neben der Bestechung von Amtsträgern wurde erstmalig auch die Privatkorruption untersucht, d.h. Bestechungshandlungen zwischen privaten Akteuren. Korruption ist in der Privatwirtschaft gleichermassen verbreitet und somit nicht nur ein Problem in Politik und Verwaltung. Die Risiken, die Unternehmen durch Bestechung eingehen sind hoch: Reputationsschaden, finanzielle Einbussen und strafrechtliche Konsequenzen.
„Bestechung scheint immer noch gängige Praxis von vielen Unternehmen in ihren ausländischen Geschäftstätigkeiten zu sein. Dabei ziehen sich Bestechungspraktiken durch Geschäftsbeziehungen aller Art, nicht nur mit Blick auf Amtsträger. Unternehmen, denen es nicht gelingt, Bestechung in ihren Lieferketten zu verhindern, laufen Gefahr, für die Vergehen ihrer Angestellten und Geschäftspartner strafrechtlich belangt zu werden,“ so Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International.
Korruption, sei es im öffentlichen oder privaten Sektor, wirkt sich auf die gesamte Lieferkette aus: sie verhindert den fairen Wettbewerb, verursacht den Unternehmen höhere Kosten und benachteiligt kleinere Unternehmen und Startups, die unter diesen Bedingungen nicht mithalten können oder jene Unternehmungen, die sich weigern Bestechungsgelder zu zahlen. Zudem wird die Qualität der Dienstleistungen und Güter beeinträchtigt.
Verantwortung der Unternehmen
Durch ein klares Bekenntnis zu Prävention und Strafverfolgung müssen Regierungen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Korruption einnehmen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Aber auch Unternehmen sind gefordert:
- Jedes Unternehmen sollte ein Antikorruptionsprogramm entwickeln und umsetzen. Wichtig ist, dass die Null-Toleranz gegenüber Korruption von der Geschäftsführung und den Kadermitarbeitern vorgelebt wird. Auch kleine und mittlere Unternehmen sind gefordert ein auf ihre Grösse und Struktur zurechtgeschnittenes Antikorruptionsprogramm einzuführen.
- Bestechungs- und Korruptionsrisiken können über die ganze Lieferkette verteilt sein. Das eigene Anti-Korruptionsprogramm soll den Partnern und Lieferanten bekannt gemacht und darauf bestanden werden, dass auch diese über entsprechende Programme verfügen. Unternehmen müssen „due diligence“ Prüfungen bei ihren Partnern und Lieferanten durchführen. Die Verantwortung soll nicht einfach an Agenten oder Zwischenhändler abgeschoben werden.
- Ein zentraler Aspekt ist auch das Whistleblowing. Unternehmen sollen Hinweisgebern die Möglichkeit bieten über geeignete Systeme illegale Vorgängen zu melden.
Mängel im Schweizer Anti-Korruptionsgesetz
Für TI Schweiz ist die aktuelle Gesetzeslage betreffend Privatkorruption unbefriedigend. In der Schweiz muss bei einer Bestechungshandlung im Privatsektor eine Strafanzeige vorliegen, damit die Behörden tätig werden dürfen. Mangels Anzeige können die Behörden nicht von sich aus eine Untersuchung einleiten. TI Schweiz fordert die Umgestaltung der Privatkorruption vom Antragsdelikt in ein Offizialdelikt um ungestrafte Bestechungshandlungen zu verhindern.
Den vollständigen Bericht finden sie unter:
http://www.transparency.ch/de/aktuelles_schweiz/meldungen/2011_11_02_BPI.php
Hinweis an die Redaktionen: Der Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index – CPI) 2011, der Länder nach dem Grad der wahrgenommenen Korruption im öffentlichen Sektor auflistet, wird am 1. Dezember 2011 veröffentlicht.
Transparency International Schweiz ist die Schweizer Sektion von Transparency International und setzt sich
für die Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Schweiz ein.
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