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“Ach das mit der Prostitution ...”

Aus dem Alltag eines Lobbyisten in Sachen Schmiergeldzahlung

Mit der bevorstehenden Verabschiedung der Steuerreform durch den Bundesrat ist in Deutschland endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Schmiergeldzahlungen im In- und Ausland abgeschafft worden. Diese Entscheidung des Bundestages bedeutet für Transparency International das Ende einer jahrelangen mühseligen Lobbyarbeit - der Lobbyarbeit an einem trockenen, öffentlich kaum wahrgenommenen Thema. Zugleich beendet es aber auch eine jahrelange polemische Auseinandersetzung und bringt einer verwirrten Öffentlichkeit Klarheit. Das beiliegende Feature schildert die Hintergründe und bietet eine Chronologie des Geschehens.

Die Rechtslage bis 1996 - steuerliche Subventionierung von Korruption

Schmiergeldzahlungen im In- und Ausland sind als "nützliche Aufwendungen" grundsätzlich steuerlich absetzbar. Geschützt durch das Steuergeheimnis dürfen die Steuerbehörden Hinweise auf Korruption nicht an die Staatsanwaltschaft melden. Ein Empfängernachweis entfällt in aller Regel selbst bei Zahlungen im Inland; er wird nur verlangt, um sicherzustellen, daß die Bestechungsgelder vom Empfänger ordnungsgemäß versteuert werden. Kann aber der Steuerzahler glaubhaft machen, daß ein Empfängernachweis auch im Inland "unzumutbar" wäre, verzichtet das Finanzamt darauf. Diese Rechtslage wird von der damaligen Bundesregierung mit den Argumenten verteidigt:

  • in vielen Ländern könne man anders als durch Bestechung überhaupt keine Geschäfte machen;
  • deutsche Unternehmen dürften gegenüber ihren ausländischen Wettbewerbern nicht benachteiligt werden;
  • niemand könne unterscheiden, was ein illegitimes Schmiergeld und was eine berechtigte Provision oder Kommissionszahlung sei.

Die Rechtslage seit 1996

Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP reagiert mit dem Jahressteuergesetz 1996 auf das Drängen der Opposition, der OECD und von Transparency International und ändert § 4 des Einkommenssteuergesetz. Allerdings können Schmiergeldzahlungen selbst im Inland weiterhin nahezu problemlos steuermindernd geltend gemacht werden, heißt es doch in § 4 (5) 10.:

"(5) Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern: … 10. die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängenden Aufwendungen, wenn wegen der Zuwendung oder des Empfangs der Vorteile eine rechtskräftige Verurteilung nach einem Strafgesetz erfolgt ist oder das Verfahren gemäß §§ 153 bis 154 e der Strafprozeßordnung eingestellt worden ist, oder wenn wegen der Zuwendung oder des Empfangs der Zuwendung ein Bußgeld rechtskräftig verhängt worden ist. Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Ordnungsbehörde mit; im Besteuerungsverfahren sind Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen zur Ermittlung dieser Tatsachen unzulässig ..."

Im Klartext bedeutet dies:

Jede Schmiergeldzahlung die nicht vor Gericht endet, kann auch weiterhin abgesetzt werden, wird weiterhin steuerlich gefördert. Daran ändert auch das Mitteilungsrecht der Finanzämter an die Staatsanwaltschaften (" … die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen …") in der Praxis überhaupt nichts, denn: Von ihrem neuen Recht machen die Steuerbehörden keinerlei Gebrauch.

Irreführung der Öffentlichkeit

Obwohl die neue Rechtslage die steuerliche Absetzbarkeit praktisch unverändert beibehielt, stellte das Bundeswirtschaftsministerium die Gesetzesänderung als Verbot der Steuerabzugsfähigkeit dar. Dabei genügte es für das Verbot der Steuerabzugsfähigkeit - wie etwa von der OECD gefordert - eben nicht, daß eine Schmiergeldzahlung strafbar war. Sie mußte eben auch strafrechtlich verfolgt werden. Dennoch behauptete das Bundeswirtschaftsministerium, auch Auslandszahlungen wären künftig nicht mehr absetzbar, sobald Deutschland die OECD-Konvention über das Verbot der Auslandskorruption unterzeichnet. So hieß es in einer Pressemitteilung des Ministeriums vom 17. Dezember 1997:

" Rexrodt:

"Ich bin mir mit meinem Kollegen Waigel einig, daß die steuerliche Abzusgfähigkeit nicht mehr möglich ist, sobald Zahlungen an ausländische Amtsträger strafbar sind." Bei der Bestechung inländischer Amtsträger ist dies bereits jetzt der Fall."

Diese - eindeutig falsche - Aussage des Ministers übernahmen ungeprüft auch die meisten Medien. Vor diesem Hintergrund gehörte die folgende Gesprächssituation seitdem zu den Standardszenen jeden Interviews mit TI:

Journalist:

&quot...Sie haben sich ja auch für die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmiergeldzahlungen eingesetzt. Ist das jetzt auch auf Druck von TI geändert worden?"

TI-Vertreter:

"Die Änderung bedeutet, daß Schmiergeldzahlungen in 99 von 100 Fällen auch weiterhin abgesetzt werden können ..."

Journalist:

(fragender Blick, Staunen)

TI-Vertreter:

"...nämlich immer dann, wenn der Bestechungsfall nicht mit einem rechtskräftigen Urteil endet."

Journalist:

(falls Vorrecherche) "Aber die neue OECD-Konvention macht es doch auch in Deutschland strafbar, einen ausländischen Amtsträger zu bestechen!"

TI-Vertreter:

"Aber Strafbarkeit und Steuerabzugsfähigkeit sind eben zwei verschiedene Dinge - in Deutschland gilt eben die sogenannte Wertneutralität des Steuerrechts."

Journalist:

(wissend) "Ach, das ist die Sache mit der Prostitution..."

Während die Bundesregierung im Inland behauptet, das Problem gelöst zu haben, bekundet sie gegenüber dem Drängen der OECD, die Absetzbarkeit endlich vollständig abzuschaffen, Bereitschaft zum Handeln. So unterzeichnet Bundeskanzler Kohl auf dem G 7-Gipfel in Lyon im Juni 1997 ein Communiqué, in dem sich die G 7-Statten zur vollständigen und wirksamen Abschaffung der steuerlichen Vorzugsbehandlung verpflichten.

Unterdessen weisen TI und die OECD die Bundesregierung darauf hin, daß ihre Argumentation zur Verteidigung des status quo nicht stichhaltig ist. Weil man etwa sehr wohl nachprüfen kann, was eine berechtigte Provision oder Kommission und was ein Schmiergeld ist, entwickelt die OECD Handbücher für die Steuerbehörden, um bei eben dieser Entscheidung zu helfen. Auch das Argument, Deutschland dürfe nicht durch einen nationalen Alleingang seinen Unternehmen Wettbewerbsnachteile aufbürden, verfängt nicht: Nur die Niederlande haben ähnliche großzügige Steuerregelungen wie Deutschland.

Wirtschaft drängt Bundesregierung zum Handeln -Dialog mit TI trägt Früchte

Während die Bundesregierung noch argumentiert, die Abschaffung der Steuerabsetzbarkeit könne der deutschen Wirtschaft nicht zugemutet werden, fordern führende deutsche Wirtschaftsvertreter die OECD-Wirtschafts-minister in einem von TI veröffentlichten offenen Brief auf, die Absetzbarkeit endlich abzuschaffen. Auf deutscher Seite ist der offene Brief unterzeichnet von:

  • Marcus Bierich, Vorsitzender des Aufsichtsrates, Robert Bosch GmbH
  • Hermann Franz, Vorsitzender des Aufsichtsrates, Siemens AG
  • Otmar Haas, Geschäftsführer, Haas Consult
  • Wilfried Kaiser, Mitglied des Vorstandes, Asea Brown Boveri AG
  • Mathias Kleinert, Generalbevollmächtigter, Daimler Benz AG
  • Wolf R. Klinz, Vorsitzender der Geschäftsführung, Hartmann & Braun
  • Klaus Krone, Vorsitzender des Vorstandes, Krone AG
  • Harald Rieger, Mitglied des Vorstandes, Metallgesellschaft AG

Die Botschaft des Briefes ist eindeutig - und eine Ohrfeige für die Bundesregierung:

" … In the past, no country in Europe has been prepared unilaterally to take legal steps against foreign bribery as this would have increased the risk of their own companies losing business to competitors from other countries not bound by such restrictions. For the same reasons, countries in Europe were content to go further and to treat bribes paid to foreign officials as being ordinary business expenses and so as being deductible for taxation purposes. Again, the OECD is pledged to end this undesirable state of affairs …".

Mit den Unterschriften unter den offenen Brief erntet TI die Früchte eines jahrelangen engen Dialoges mit der Wirtschaft. In diesem Dialog war es zunächst einmal darum gegangen, überhaupt ein - vertrauliches - Forum zu schaffen, in dem Unternehmensvertreter jenseits von Schutzbehauptungen offen über Korruption sprechen konnten. Der offene Brief zeigt auch, daß auf Seiten der Wirtschaft ein weit höheres Problembewußtsein besteht als allgemein wahrgenommen. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie unterstützt diese fortschrittliche Linie.

Die Probe aufs Exempel - keine Probleme bei der Steuererklärung

Die seit dem 1996 geltende Rechtslage - die Reaktionen der Medien, aber auch im Ausland zeigen es - ist widersprüchlich und verstößt gegen das Rechtsempfinden. Auch weiterhin soll steuerlich gefördert werden, was gleichzeitig strafrechtlich geahndet wird ? Da die Bundesregierung mit ihrer Haltung Erfolg hat, das Problem als gelöst zu präsentieren, entschließt sich im Mai 1998 ein Mitarbeiter von TI zur Probe aufs Exempel: Seiner Steuererklärung für das Jahr 1997 fügt er eine selbst verfertigte fiktive Erklärung bei, in der es heißt:

"Zur Erlangung eines dienstlichen Geheimnisses habe ich DM 300,- an einen Mitarbeiter der Kommunalverwaltung Potsdam gezahlt. Ich bitte um steuerliche Berücksichtigung."

Das Finanzamt tut, was die Rechtslage gebietet: Ohne jede Nachfrage akzeptiert es die Erklärung des Steuerzahlers und berücksichtigt den Betrag als "sonstige Werbungskosten". Eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft findet nicht statt. Auch ein Empfängernachweis wird nicht verlangt. "FAZ" und "taz" berichten am 3.9. bzw. am 23. September 1998.

Regierungswechsel: Problem gelöst?

Der Regierungswechsel im September 1998 scheint das Problem der Abzugsfähigkeit schlagartig gelöst zu haben:
Der

  • Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 17.02.1995,
  • der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom 09.03.1995,
  • der Antrag der SPD-Fraktion vom 19.06.1995
  • sowie der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom 14.03.1996

scheinen eindeutig zu sein. Die Abschaffung des steuerlichen Subventionierung scheint in Sicht. Als wie richtig es sich allerdings für TI erwies, bei den neuen Regierungsparteien weiterhin auf eine Umsetzung ihrer Vorgaben aus Oppositionstagen zu drängen, zeigt indes die Diskussion um die Steuerreform.

In der ersten "Giftliste" aller zu schließender Steuerschlupflöcher findet sich kein Wort zu Schmiergeldzahlungen. Offizielle Be-gründung: ein positiver Einnahmeeffekt läßt sich nicht quantifizieren. Nachdem auch Bestechungsgelder in die Liste der zu streichenden Vergünstigungen aufgenommen werden, folgt ein Kampf ums Detail. Der Gesetzentwurf sieht zunächst vor, daß die Finanzämter nicht länger Hinweise auf Korruption an die Staatsanwaltschaften weitergeben dürfen. Erst eine Intervention bei Ingrid Mätthaus-Meier bringt die Meldebefugnis zurück ins Gesetz.

Am 19. März schließlich endet mit der Verabschiedung der Steuerreform ein mühseliges Lobbying, das Transparency International seit seiner Gründung 1993 begleitet hat.

Für weitere Informationen:
... wenden Sie sich bitte an

TI Deutschland

Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999 / 2000 / 2002

(Auszug)

In 3. Lesung verabschiedete Fassung (Abschrift - ohne Gewähr!)

§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 10 wird wie folgt gefaßt:

(Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:)

..............

"10. die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt. Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen. Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit. Diese unterrichten die Finanzbehörden von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen."


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